Donnerstag, 14. November 2013

Evangelische Pastorengeschichte


Eine weitere Erfahrung mit der evangelischen Kirchengeschichte, ähnlich wie im letzten Post - und doch ganz anders: Dieser Tage habe ich nämlich das Deutsche Historische Museum mal wieder besucht. Neben der Aussicht auf die tolle Architektur des Pei-Baus wollte ich einen ökumenisch interessierten Blick in die Ausstellung "Leben nach Luther" über die "Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses" werfen, die in vielen Zeitungen überwiegend positiv beschrieben wurde (vgl. z.B. Tagesspiegel, Berliner Zeitung und DieWelt).
Darin sollen mit Unterstützung der evangelischen Kirche und in Vorbereitung auf das Reformationsjubiläum 2017 die Lebenswirklichkeiten protestantischer Pastoren und ihrer Familien durch die Zeit hin angeschaut und einige Klischees zur Seite geräumt werden.

Piranesi-Anmutung, Pei-Bau im DHM, Berlin Mitte, 2013.

Die Ausstellungskonzeption in Themenräumen ist auch für einigermaßen Vorgebildete wie mich eine gute Möglichkeit, nicht chronologisch, sondern anhand einiger inhaltlicher Schlaglichter interessante Neuigkeiten zu erfahren. Neben Ausführungen über Bildungsstand und Forschergeist der Pfarrer gibt es da Einblicke in die Arbeitszimmer, sind verschiedenste Amtstrachten und Alltagsgeräte zu sehen, Amt und Habitus werden thematisiert und kurze Einblicke in exemplarische Ausbildungsverläufe sowie die Finanzierung eines pfarrlichen Hausstandes im 19. Jahrhundert geboten. Angereichert durch Perspektiven auf die skandinavischen Länder und auf die britischen Inseln kommen kurz auch die deutschen Kolonial-Missionen in den Blick. Die Ausstellung gipfelt in den zwei kritisch aufgearbeiteten Drucksituationen des 20. Jahrhunderts (Nationalsozialismus und DDR).

Aus all dem ergibt sich ein interessantes Potpourri des deutschen Protestantismus mit Fokussierung auf sein Leitungspersonal. Bemerkenswert ist eben dieser Gesamteindruck – konkrete Themen wie die Stellung der „Frau Pfarrer“, das Bewirtschaften von Feldern zur Unterhaltssicherung oder die verklärte Außensicht der Verhältnisse erscheinen eher als Beiwerk zu einer Kulturgeschichte des Protestantismus an sich. Das hat mich doch verwundert – mit einiger Konzentration auf Haushalt und Familie eines evangelischen Pfarrers (bzw. Pfarrerin) hätte man sich die unter anderen Überschriften durchaus interessanten Beiträge zu Altargeschirr, Kirchenbänken, schwedischen „Hausverhören“ oder Missionsbildchen durchaus sparen können. Das hätte meiner Meinung nach eine Verschlankung bezüglich der dargebotenen Objektzahlen ermöglicht und die Thematisierung von einigen mir nun weiterhin bleibenden Fragen ermöglicht.
Wie sah es denn, über den Hinweis auf das ausgeschmückte Lutherbild hinaus, mit frühprotestantischen Auseinandersetzungen in Abgrenzung zu katholischer Zölibatsorientierung aus? Was bedeutete die sittenstrenge Erziehung im Pfarrhaus des Kaiserreichs außer dem Drei-Minuten-Ausschnitt aus „Das weiße Band“? Welche Zeugnisse des ehelichen Zusammenlebens gibt es neben den ausgestellten Tugendtafeln? Und was haben die Dia-Vorläufer mit Bildern vom Heiligen Land mit der dürftig beschriebenen Lebenswirklichkeit der Pfarrersfamilien in der Fremde zu tun?

Ehrlich gesagt bin ich etwas enttäuscht von dergestalt mangelnder Tiefe beim selbst gestellten Thema gerade angesichts der großen Materialsammlung. Aufgeboten werden eine Unmenge von Ölbildern vom 16. bis ins 20. Jahrhundert, vielerlei Bücher, Briefe und andere Schriftstücke, auch Objekte wie die Beamtenuniform eines preußischen Pfarrers, eine selbst entwickelte Waschmaschine und ein Beispielfahrrad, das die Frage nach der Vereinbarkeit des Radfahrens mit der Würde des Pfarrers anzeigt.
In einer Ausstellung mit dem Thema „Der evangelische Pfarrer und die Geschichte des Protestantismus“ hätte ich all das gut gefunden, so aber kann ich nur hoffen, dass der Audio-Guide entsprechende Zusatzinformationen gibt - und lese ein Chrismon-Interview mit Heinrich Bedford-Strohm und Katharina Saalfrank zum Thema (Ausgabe 11/2013, S.30-33).