Dienstag, 24. Juni 2014

"...und wirfst du in mein Hirn den Brand..."

Einer wird von seinen Überzeugungen mitgerissen. Er fordert Veränderung, er brennt für seine Sache, zuletzt muss er sein Leben dafür lassen. Seine Inbrunst lässt die einen verzweifeln, andere werden angesteckt. Unbarmherzig kann er wirken, seine emotionale Tiefenbohrung aber ist getragen von der Hinwendung zu den Menschen.

Stehender, Charlottenburg, Berlin, 2014.
Und von der Unterordnung unter einen Größeren.
Dieser soll wachsen, er aber will kleiner werden – so wie heute, genau ein halbes Jahr vor Heiligabend, die Tage langsam wieder kürzer werden.
Johannes der Täufer will aufwecken, kompromisslos kündigt er gegen viele Widerstände das große Licht an.

Passend zu ihm scheint mir ein Gedicht aus Rilkes Stundenbuch, das einen solchen wahnsinnig Entbrannten sprechen lässt:

Lösch mir die Augen aus: ich kann dich sehn,
wirf mir die Ohren zu: ich kann dich hören,
und ohne Füße kann ich zu dir gehn,
und ohne Mund noch kann ich dich beschwören.
Brich mir die Arme ab, ich fasse dich
mit meinem Herzen wie mit einer Hand,
halt mir das Herz zu, und mein Hirn wird schlagen,
und wirfst du in mein Hirn den Brand,
so werd ich dich auf meinem Blute tragen.
1

Einer, dessen Hirn und Herz in Flammen stehen, einer, der mit seinem Blut Liebe zeigen wollte. Wie sein großer Nachfolger, an dessen Geburtstag in der Dunkelheit wieder mehr Licht und weniger Brand sein soll.


1   In: R. M. Rilke, Das Stundenbuch. Leipzig 1972, 64.

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