Donnerstag, 31. Juli 2014

Ignatius für heute - "Das Alte neu sagen" von Karl Rahner

Karl Rahner hat Ignatius von Loyola in seiner unnachahmlichen Weise eine feurige Rede in den Mund gelegt, in der dieser heutige Jesuiten darauf hinweist, wie sein Wirken zur größeren Ehre Gottes und im Dienste der Kirche zu verstehen ist.
Besonders die Frage, wie die Begegnung mit dem lebendigen Gott im Leben der einzelnen Menschen fruchtbar werden kann, steht im Zentrum des Textes "Das Alte neu sagen".1
Hier einer der zentralen Gedanken zum Verhältnis von Kirche und Erfahrung Gottes, in dem sich ignatianisches Denken und Rahnersche Theologie grandios mischen:
Theaterbühne auf dem Theaterplatz, Weimar, 2014.
"Da ist der Boden eines Herzens. Soll er ewig zu Unfruchtbarkeit verdammt werden, eine Wüste, in der die Dämonen hausen, oder ein fruchtbares Land, das Früchte der Ewigkeit bringt? Die Kirche, so kann es einem scheinen, errichtet ungeheure und komplizierte Bewässerungssysteme, um das Land dieses Herzens zu bewässern und fruchtbar zu machen, durch ihr Wort, ihre Sakramente, ihre Einrichtungen und Lebenspraxen. Nun sind alle diese "Bewässerungssysteme", wenn man einmal so sagen darf, sicher gut und notwendig (selbst wenn auch die Kirche selber gesteht, daß auch dort ein solcher Herzensboden Früchte der Ewigkeit bringen kann, wohin die "Bewässerungsanlagen" der Kirche nicht gediehen sind). Natürlich ist dieses Bild mißverständlich. Selbstverständlich hat das Tun der Kirche in Evangelium und Sakrament Aspekte, Gründe und Notwendigkeiten, die mit diesem Bild nicht deutlicher werden.
Aber bleiben wir bei diesem Bild. Da meine ich dann: neben diesen gleichsam von außen kommenden, von außen eingeleiteten Wassern, die dieses Land der Seele tränken sollen (ohne Bild: neben den religiösen Indoktrinationen, über die Sätze von Gott und seinen Geboten hinaus, über all das hinaus, was als anderes nur auf Gott hinweist, wozu auch Kirche, Schriftwort, Sakrament usw. gehören), gibt es gewissermaßen eine Tiefenbohrung auf diesem Land selbst, so daß aus einer solchen Quelle, so erbohrt, inmitten dieses Landes selbst die Wasser des lebendigen Geistes emporsprudeln in das ewige Leben, wie es doch eigentlich bei Johannes schon steht. Wie gesagt, das Bild ist schief; es gibt keinen letzten Gegensatz zwischen dieser eigenen Quelle und dem "Bewässerungssystem" von außen her.
Selbstverständlich bedingen sich diese beiden Wirklichkeiten gegenseitig. Aller Anruf von außen im Namen Gottes (ein anderes Bild) will nur die innere Selbstzusage Gottes selber deutlich machen, und diese bedarf auch jenes Anrufes in irgendeiner irdischen Gestalt, wenn auch diese viel vielfältiger und bescheidener sein kann als es früher eure Theologen erlaubten; wenn auch ein solcher Anruf von außen, ein Anruf der Verantwortung, der Liebe und Treue, eines selbstlosen Einsatzes für Freiheit und Gerechtigkeit in der Gesellschaft, viel weltlicher klingen mag als eure Theologen es gerne hören würden.
Aber, eigensinnig betone ich es immer wieder: Solche Indoktrinationen und solche Imperative von außen, solche Zuleitungen der Gnade von außen nützen im letzten nur, wenn sie der letzten Gnade von innen her begegnen."
Fiktive Kuppel in der ehemaligen Jesuitenkirche, Poznan, 2014.


1    K. Rahner, Das Alte neu sagen. Eine fiktive "Rede des Ignatius von Loyola an einen Jesuiten von heute". In: Schriften zur Theologie XV. Wissenschaft und christlicher Glaube. Zürich / Einsiedeln / Köln 1983, 373-408.