Dienstag, 14. April 2015

JosephsReligion – Der Monotheismus Abrahams bei Thomas Mann

Das Romanepos "Joseph und seine Brüder" von Thomas Mann sei hier unbedingt empfohlen. Neben der titelgebenden Konstellation geht es darin unter anderem auch um die Vorfahren Josephs und um die Entwicklung des Ein-Gott-Glaubens dieser frühen Gläubigen und Vorfahren der Juden und Christen.

Thomas Mann theologisiert bekanntermaßen auf hohem literarischen Niveau, das er sich durch jahrelange Beschäftigung mit den altorientalischen und ägyptischen Religionszeugnissen und Gedankengängen erarbeitet hatte. Die Konflikte Jakobs mit seinem polytheistisch praktizierenden Schwiegervater Laban stellt er dabei ebenso heraus wie Fragen nach Orakeln und Opfern, Gründe für Eingottverehrung und Eingottglaube und Bezüge zu christlichen Deutungsmustern.
Einer im Himmel. Heizkraftwerk, Neukölln, Berlin, 2014.
Daran kann man berechtigt Fragen stellen, wenn es um heutige christliche Glaubensüberzeugungen und exegetisch-historische Kenntnisse geht. Aber bemerkenswert und zuweilen spirituell inspirierend ist die Beschäftigung mit Thomas Manns Denken allemal, auch wenn seine Deutung des biblischen Textes bisweilen ungewohnt sind.
In loser Folge stelle ich demnächst einige kleine Textabschnitte ein, die mir ästhetisch und theologisch interessant erscheinen.

Zuerst also Abraham:

"Urvater hatte die Frage unbedingt wichtig genommen, wem der Mensch dienen solle, und seine merkwürdige Antwort darauf war gewesen: Dem Höchsten allein. Merkwürdig in der Tat! Es sprach aus der Antwort ein Selbstgefühl, das man fast hoffärtig und überhitzt hätte nennen können. Der Mann hätte mögen zu sich selber sagen: 'Was bin und tauge ich weiter und in mir der Mensch! Es genügt, dass ich irgendeinem Elchen oder Ab- und Untergott diene, es liegt nichts daran.' So hätte er es bequemer gehabt. Er aber sprach: 'Ich, Abram, und in mir der Mensch, darf ausschließlich dem Höchsten dienen.' Damit fing alles an."1

Nicht Bequemlichkeit ist also der Grund für seine Religion, sondern das einzigartige Bewusstsein und die Würde des Menschen. "Fast hoffärtig", eitel und überkandidelt nennt Thomas Mann es, ich würde ganz klar das "fast" betonen – der Glaube an den Höchsten schrammt immer knapp an der Hybris entlang – und überschreitet die Grenze zu ihr in manchen Fanatismen auch – aber im eigentlichen Sinne ist dies die dem Menschen angemessene Religion.

(Weiter geht es hier mit Isaak)

1   Thomas Mann, Joseph und seine Brüder. Frankfurt am Main 4. Aufl. 2013, 310.