Donnerstag, 14. Mai 2015

Himmlische Liturgie - Die Heimkehr des Sohnes

Die Ostkirche hat zu den Ereignissen des Lebens Jesu und der Heilsgeschichte schon immer liturgische Linien gezogen. In der Feier der Liturgie wird durch diese Blickweitung nicht nur die konkret vor Augen liegende Situation der Feiernden hineingenommen, sondern auch das Leben Jesu und vor allem die himmlische Liturgie lassen sich in unserem Feiern erkennen.

Besonders gilt dies für die nachösterlichen Geschehnisse – und umgekehrt zeigen sich in ihnen auch die „Urbilder“ unseres Feierns.
So weit, so kryptisch.

Engelchens HImmelfahrt. Neukölln, Berlin, 2015.
Der maronitische Theologe Jean Corbon, der als Priester der griechisch-katholischen Kirche auch am Zweiten Vatikanischen Konzil teilnahm, hat in seinem Buch „Liturgie aus dem Urquell1 eine liturgietheologische Deutung der Himmelfahrt vorgelegt. Er bezeichnet sie als "Auftakt einer neuen Glaubensbeziehung"2 und spricht sogar von „einer fortwährenden Himmelfahrt.3
Was meint er damit?

Dort, wo sich in den biblischen Schriften Hinweise auf eine himmlische Liturgie finden, das ist vornehmlich im Hebräerbrief und in der Offenbarung des Johannes, handelt es sich um einen Lobpreis.
Aber es ist auch von Bewegungen die Rede, wenn beispielsweise der Hebräerbrief Jesus als Hohenpriester bezeichnet: „Wir haben einen Hohenpriester, der sich zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel gesetzt hat“ (Hebr 8,1)
Die Himmelfahrt, hier die Ankunft des auferstandenen Jesus in der Herrlichkeit Gottes wird also als ein Würde ausdrückendes Sich-setzen behandelt, das durch die Bezeichnung als Hohepriester zugleich in einen liturgischen Kontext gestellt wird.
Hier sieht Corbon die entscheidende Schaltstelle der himmlischen Liturgie, die nach der Auferstehung einsetzt:
"Erst als das Leben, aus dem Grabe sprudelnd, zur Liturgie schlechthin wurde, kann diese endlich gefeiert werden: wenn der Fluss zum Quell, zum Vater zurückkehrt. Die Feier der himmlischen Liturgie hebt mit dieser Rückbewegung an."4

In seiner lyrischen Sprache und seinem geistlichen Weltverständnis wird die von uns gefeierte Liturgie für Corbon zum Abbild des himmlischen Jubels, der anhebt, wenn Jesus zum Vater zurückkehrt. Denn die „himmlische Liturgie feiert das ständige Ereignis der Rückkehr des Sohnes – und aller in Ihm – in das Haus des Vaters.“5 Denn indem Jesus als Gottmensch ganz und ungeteilt aufersteht und heimkehrt, bringt er zur Freude des Vaters in seiner Menschlichkeit die ganze Menschheit mit:
Himmelhaus. Westend, Berlin, 2015.
Als der Einziggeborene war Er ausgegangen, und nun kommt Er im Fleische zurück, Träger der an Kindes Statt Angenommenen: 'Sieh, da bin Ich und die Kinder, die Du Mir gegeben hast' (Hebr 2,13).“6

In der Liturgie wird dies gefeiert als „der ungeheure Rückstrom der Liebe7, mit dem die ganze Welt überflutet wird, denn „der Vater behält diese Freude nicht, indem Er sie entgegennimmt, Er lässt sie neu aufquellen in einem Mehr an Liebe und Leben! Ewige Liturgie ist so Feier dieser Mit-Teilung, in der jeder als Ganzer dem andern zugewendet ist. Das Geheimnis der Heiligkeit ist endlich Liturgie geworden, weil sie Anteil an sich gibt und sich verschenkt.“8
Darum ist Liturgie ein „Aus- und Rückströmen der von der ganzen Schöpfung teilgenommenen trinitarischen Kommunion9 und wird in Corbons synthetischem Blick zugleich zu einem „fortwährenden Pfingsten10

Nicht nur Jesu Setzen an die Seite Gottes, sondern auch der überfließende Liebesjubel, durch den Gott sich im Heiligen Geist der irdischen Kinderschar schenkt, ist Inhalt dieser himmlischen Liturgie, an deren Jubel wir heute schon teilnehmen können.

Und das gilt selbst angesichts dessen, dass wir hier auf der Erde eben noch nicht in der Vollendung mit Gott stehen, „nicht alles ist schon abgeschlossen, aber das Ereignis der Geschichte ist da, im Herzen der Trinität; als fortan dem Vater geeint, wird es mit Ihm zusammen Quelle.“11
In diese Bewegung „reißt uns seine Strömung desto ungeduldiger zur Vollendung hin fort“, denn die „Geschichte ist mit der Auffahrt nicht abgeschlossen, im Gegenteil: sie breitet sich aus zu ihrer endgültigen Befreiung: die 'letzten Zeiten' stehen offen. … Flut und Ebbe der himmlischen Liturgie schwemmen immerfort die Welt ihrem Urquell zu“.12

Himmelskarussel, abwärts strebend. Halle / Saale, 2014.

1   J. Corbon, Liturgie aus dem Urquell. Einsiedeln 1981. (frz. Original: Liturgie de Source)
2   Ebd., 46.
3   Ebd., 45.
4   Ebd., 49.
5   Ebd., 51.
6   Ebd., 50.
7   Ebd.
8   Ebd., 51.
9   Ebd.
10   Ebd., 45.
11   Ebd., 52.
12   Ebd., 53.