Freitag, 11. März 2016

Der Gekreuzigte 4 – "The Dark Knight Rises" als Erlösungsspektakel

In Christopher Nolans Batman-Film von 2012 geht es um verschiedene Konzepte von Erlösung, die zu einem theologischen Kommentar herausfordern.
Und, wie sollte es auch anders sein, die zwei Hauptakteure mit ihren nahezu gleich klingenden Namen, der Bösewicht Bane und der Batman Wayne, präsentieren in ihren jeweiligen Masken diese unterschiedlichen Vorstellungen.

Die Basisdaten der Story in Kürze: Nachdem Batman im letzten Film "The Dark Knight" die Untaten Harvey Dents auf sich nahm, verschwand er und lässt Dent als eigentlichen Helden dastehen. Aus dieser Abgeschiedenheit kehrt er nun zurück und nimmt den Kampf gegen den maskierten Bane auf. Der will Gotham mit einer Söldnerarmee ins Chaos stürzen und bemächtigt sich dafür unter anderem einer Atombombe aus Bruce Waynes Firma. Während eines Zweikampfes zwischen Batman und Bane wird Batman stark verletzt, so dass er erst genesen muss, bevor er wieder in den Kampf einsteigen kann. Bane hat ihn aber in eine Gefängnis-Mine gebracht, wo er erst dem Untergang Gothams zuschauen und dann sterben soll. Im weiteren Verlauf des Filmes geht es vorrangig um die Versuche, die Bombe zu entschärfen und die Menschen der von der Außenwelt abgeschnittenen Stadt zu retten.

Frei nach dem inkarnationstheologischen Diktum, dass nur erlöst werden kann, was auch angenommen wurde,1 muss Bruce Wayne als Batman in die Stadt zurückkehren; denn ihre Gefährung, heißt es an einer Stelle, kann nur von innen beseitigt werden, die an den Brücken stationierte Armee hat in all ihrer Kampfeskraft keine Chance.

Licht im Dunkel. Staatsbibliothek Berlin,
Unter den Linden, Berlin-Mitte, 2016.
Zunächst zum Erlösungskonzept von Bane: Nach eigenen Worten führt er einen Kampf gegen Gothams Dekadenz, gegen Ungleichheit und Knechtung, gegen die Bereicherung der Reichen und die Verarmung der Armen.
Erlösung besteht für ihn in der anarchisch verstandenen Freiheit, sich gegen "das System", gegen Unterdrückung und Lüge unserer Gesellschaft zu erheben. Unter der Androhung der nahenden Vernichtung fallen alle Regeln, die vorher galten – und die Befreiung wird zuerst eine Freiheit zur Gewalt. Der Film zeigt Plünderungen und Willkür, Einschüchterung Andersdenkender und Volkstribunale.
Diese Kritik am kapitalistischen Wirtschaften und der damit verbundenen Ungerechtigkeiten ist zweifelsohne zeitlos gültig und trifft in den USA sicher mehr noch als hier einen wunden Punkt. Auch der Milliardär Wayne muss sich in diesem Szenario fragen lassen, wo er strukturell steht in einer Gesellschaft.
Doch bei aller Legitimität der Kritik lässt sich das im Film so genannte Gleichgewicht der Zivilisation nicht herstellen durch Mord und Totschlag.

Batman /Wayne sucht auch Erlösung, einmal seine eigene, aber zunehmend auch wieder die der Menschen um ihn. Seine Maske sitzt an einer anderen Stelle als Banes Atemhilfe. Er steht für ein anderes Konzept von Erlösung, für eines nämlich, das sich jüdisch-christlichen Gedanken weit annähert.
Bezugnehmend auf die Vorgeschichte mit Harvey Dent ist er, in den Worten von Commissioner Gordon, "ein Freund, der seine Hände in den tiefsten Morast steckt, damit Ihre eigenen sauber erscheinen." Im Wissen darum, dass es eine Erlöserfigur wie Harvey Dent brauchte, eine Person, mit der die Menschen sich identifizieren können, hat er dessen Schuld auf sich genommen und ließ den anderen leuchten.
Das erinnert stark an den alttestamentlichen Jesaja-Text über den leidenden Gottesknecht, der stellvertretend die Schuld anderer auf sich nimmt und dabei nicht wohlgelitten ist: "Wie einer, vor dem man das Gesicht verhüllt, war er verachtet; wir schätzten ihn nicht. Aber er hat unsere Krankheit getragen und unsere Schmerzen auf sich geladen. Wir meinten, er sei von Gott geschlagen, von ihm getroffen und gebeugt. Doch er wurde durchbohrt wegen unserer Verbrechen, wegen unserer Sünden zermalmt." (Jes 53,3-5)

Auch Batman muss während der Filmhandlung im eigentlichsten Sinne körperlich erneuert werden. Zu Beginn bringt ihn sein Wille für die Gerechtigkeit zu kämpfen, im wortwörtlichsten Sinne wieder auf die Beine: zunächst wirft er seine Krücke davon, als es nötig wird, sich wieder selbst einzumischen in die Belange Gothams. Später bezwingt er mit Hilfe des weisen Arztes im Gefängnis sein kaputtes Kreuz (!) und stellt sich erneut dem Kampf.

Licht von oben. Bodemuseum, Museumsinsel, Berlin-Mitte, 2016.
Es existieren also eine Reihe kathartischer Momente für Bruce Wayne/Batman – nach Zurückweisung und Ausgestoßensein ist es die körperliche Schwäche und nicht zuletzt die Abhängigkeit von seiner Hightech-Ausrüstung, die zum Teil in Banes Händen ist. Aber die Ambivalenz des physisch-kämpferischen Einsatzes für die Erlösung anderer Menschen wird nur kurz gestreift: Vor dem Ausbruch aus dem Gefängnis teilt ihm der weise Lehrer mit, dass der Geist, nicht der Körper Überleben möglich macht und ihn wieder ans Licht bringen kann.
Doch im Anschluss geht es sehr körperlich, mit Schlagen, Treten, Schießen und jeder Menge Militärtechnik weiter. Waynes/Batmans körperliches Leiden ist immer aktiv, ist immer ein Kämpfen.

Der Einsatz des eigenen Lebens und damit auch des eigenen Körpers wird in der finalen Rettungsszene thematisiert. Sein vollkommener Selbsteinsatz bringt ihn dazu, mit der in wenigen Minuten detonierenden und nicht mehr zu entschärfenden Atombombe am Seil übers Meer zu fliegen, wo sie schließlich explodiert.

Doch was war es, dass ihn antrieb zu diesem Hingabe für seine Nächsten? Während Jesus Christus nach christlicher Theologie am Kreuz als Konsequenz seiner Liebe zu allen Menschen starb, scheint das Martyrium des Batman seinem Verantwortungsgefühl geschuldet zu sein. Sentimentale Gefühle wie Zuneigung oder gar Liebe spielen keine Rolle.
Dazu kommt aus christlich-theologischer Sicht die Frage, was den Tod des Helden verursacht. Analog zum christlichen Verständnis vom Tod durch die Sünden der Welt sind es hier mittelbar die von Bane angeprangerten Sünden der Zivilisation,die, in Gestalt der von Waynes eigener Firma gebauten Bombe, die apokalyptische Gefahr darstellen.
Letztlich offen bleibt, was Waynes Einsatz jenseits der Abwendung eines plötzlichen Todes denn genützt hat – ob durch den Ausnahmezustand bessere Menschen aus den Bewohnern Gothams geworden sind, darf, da Banes Vorgehen allein negativ gezeichnet wird, bezweifelt werden. Dann würde trotz der selbstlosen Aufopferung strukturell alles beim Alten bleiben. Einzig eine Batman-Statue wird pathetisch-kitschig enthüllt.

Vollends verkehrt sich das Bild aus theologischer Sicht, wenn zuletzt angedeutet wird, dass der Autopilot das Batmobil allein aufs offene Meer geführt haben könnte und Bruce Wayne die Situation zum Anlass nahm, sich aus dem Staub zu machen und ein eigenes, neues Leben zu beginnen. Er steigt also, ähnlich wie muslimische Theologen Sure 4,157ff des Korans deuten, vom Kreuz herab. Sicher ändert das nichts an seiner Rettungstat, doch als integre Person wird Wayne auf diese Weise disqualifiziert.

Bei allen theologischen Anfragen (von den filmlogischen zu schweigen) also, bleibt der Blick auf die hier angedeuteten Erlösungskonzepte eine spannend-quere Analogie für christliches Denken.

Bunte Erlösung. Berliner Dom, Berlin-Mitte, 2015.

1   So schreibt der griechische Kirchenvater Gregor von Nazianz in einem Brief über das Erlösungswerk Christi: »Das, was nicht angenommen wurde, wurde nicht geheilt« (Ep 101,32: SC 208,50).