Samstag, 19. März 2016

Josef der Vater - Zwei Gedanken von Andreas Knapp

Josef ist in der christlichen Tradition eher der Untergebutterte, der Verdeckte, der im Schatten von Mutter und Kind Stehende. Aber er tut immer, was getan werden muss und rettet beide.
Die Frömmigkeit hatte es von jeher leichter mit ihm als er es selbst in seinem Leben hatte – stets war er der Nicht-Echte und doch als Hausvater Benötigte; in der frommen Verehrung wird er zur treuen Seele, zum schweigenden Vorbild, zur irdischen Herkünftigkeit, zum menschlich-unvollkommen-gediegenen Abglanz des wirklichen Vaters, zum Handwerker und Ausbilder des späteren Erlösers.

Vertraueneinflößend. Most Poniatowskiego,
Warschau, 2015.
Andreas Knapp schreibt in "unterwegs zum kind"1 über diesen Josef:

"ein mann voller pläne
die im traum schon zerbrechen
verzichtet auf begreifen
vertrauensselig wie ein kind"

In der Spur seiner den Worten des Engels trauenden Verlobten Maria steht er hier also als einer da, der nicht mehr sein eigenes Lebensglück sucht und festhalten will, sondern auf die Träume Gottes hört – und sich ihnen unterordnet.
Nicht das kritische Nachhaken, kein Auflehnen gegen Fremdbestimmung, nicht das lange Reflektieren vor der Entscheidung. Insofern ist er uns aufgeklärt-kritischen Geistern des 21. Jahrhunderts fremd. Aber gerade so kann seine Person eine Einladung sein zur Emphase, zum Großmut, zum Vertrauen.
Zugleich steht er, darin uns viel näher, für Menschen mit gebrochenen Lebensplänen, für die gerade Gescheiterten – die an ihm sehen können, dass in den Scherben noch mehr sein kann. Dass sich im ungewollten Umbruch vielleicht etwas verbirgt, das Leben verheißt.

Und ein zweiter Punkt: In "nazaret"2 hebt Andreas Knapp auf die Spiritualität des Alltags ab und weist hin auf die Gegenwart Gottes mitten darin. Josef selbst bleibt ungenannt.

"das leben pulsiert im rhythmus
von hammer und säge
die hobelspäne der zeit
fallen auf den boden
der normalität"

Josef war der Normalo. Einer, der ein Leben lang dasselbe tat. Durch und durch bodenständig, trotz des außergewöhnlichen Anfangs. Ob ich das als vorbildhaft begreifen soll, weiß ich nicht. Ich bin nicht so. Aber etwas in mir fragt sich, ob es einem Kind nicht tatsächlich gut tut. Von wegen Verlässlichkeit, gefestigte Strukturen, Vertrauen fassen in die Welt und so.
Wahrscheinlich hat es Jesus und seinem Lebensrhythmus, vielleicht sogar der Beziehung zu seinem Gottvater gut getan. 
Wahrscheinlich ist Josef mit seiner Opferbereitschaft, seiner Gottgehörigkeit, seiner Treue und Beständigkeit tatsächlich ein gutes Vorbild für den freiheitsliebenden und gottsuchenden Sohn gewesen.

Beständigkeit und Ruhe. Innerstädtisches Gymnasium, Rostock, 2015.

1   In: A. Knapp, Heller als Licht. Biblische Gedichte. Würzburg 2014, 45.


2   Ebd., 48.