Samstag, 14. Mai 2016

Pfingsten - Fest des Alltags und der Welt

Jede der göttlichen Personen hat eine bestimmte Form des Weltbezugs. Der Vater schuf und erhält alles, was nicht Gott ist, der Sohn kommt in die Welt und verkündet den Vater. Der Geist schließlich heiligt und vollendet die Welt – und im Heiligen Geist werden wir Menschen beteiligt an dieser Aufgabe.
Doch die Welt bleibt dabei Welt. Allerdings kann Gott schon mit der Schöpfung und viel mehr noch seit der Menschwerdung des Sohnes mitten in ihr gefunden werden.

Durchsichtig auf was?
Möhre an Herd, Rixdorf, Berlin, 2016.
Das Pfingstereignis hat den Jüngern Augen und Ohren aufgetan für die Pluralität und den Reichtum der Welt und hat ihre Münder geöffnet, damit sie im Heiligen Geist Gottes Herrlichkeit in dieser Vielfalt offenbar machen.
Durch den Geist wird der Alltag eines Menschen in besonderer Weise durchsichtig auf Gott hin. Mitten in der Weltlichkeit der Welt lässt Gott sich finden - und lässt die Menschen dabei frei. Denn er reißt die Welt nicht in eine Eindeutigkeit seiner Gegenwart in ihr hinein, sondern lässt Raum für Zweifel und Mehrdeutigkeit, Raum für Glauben und Unglauben.

In diesem geöffneten Raum kann der Geist erfahren werden,
"- wo eine Verantwortung in Freiheit auch dort noch angenommen und durchgetragen wird, wo sie keinen angebbaren Ausweis an Erfolg und Nutzen mehr hat,
- wo ein Mensch seine letzte Freiheit erfährt und annimmt, die ihm keine irdischen Zwänge nehmen können,
- wo der Sturz in die Finsternis des Todes noch einmal gelassen angenommen wird als Aufgang unbegreiflicher Verheißung,
- wo die Summe aller Lebensrechnungen, die man nicht selber noch einmal berechnen kann, von einem unbegreiflichen anderen her als gut verstanden wird, obwohl man es nicht nochmals ..beweisen" kann,
- wo die bruchstückhafte Erfahrung von Liebe, Schönheit, Freude als Verheißung von Liebe, Schönheit, Freude schlechthin erlebt und angenommen wird, ohne in einem letzten zynischen Skeptizismus als billiger Trost vor der letzten Trostlosigkeit verstanden zu werden,
- wo der bittere, enttäuschende und zerrinnende Alltag heiter gelassen durchgestanden wird bis zum angenommenen Ende aus einer Kraft, deren letzte Quelle von uns nicht noch einmal gefaßt und so uns untertan gemacht werden kann,
- wo man in eine schweigende Finsternis hinein zu beten wagt und sich auf jeden Fall erhört weiß, obwohl von dort her keine Antwort zu kommen scheint, über die man noch einmal räsonieren und disputieren kann,
- wo man sich losläßt, ohne Bedingung und diese Kapitulation als den wahren Sieg erfährt, - wo Fallen das wahre Stehen wird,
- wo die Verzweiflung angenommen und geheimnisvoll nochmals als getröstet ohne billigen Trost erfahren wird".1

Halten wir die Augen offen für seine Gegenwart!

Brüchig, aber Steg. Peetzsee, Brandenburg, 2016.

1   K. Rahner, Erfahrung des Geistes. Meditation auf Pfingsten. Freiburg i.Br. 1977, 43f.