Dienstag, 20. September 2016

Unentschieden – Von den Gefahren der Sehnsucht zu Jan Twardowski

Natürlich hat irgendjemand gewonnen. Irgendwie.

Und doch liegen die Ergebnisse von SPD, CDU, Grünen, Linken und AfD nach der Berliner Wahl am Wochenende so nah beisammen, dass ich den Eindruck bekomme, es sei eine Art Unentschieden.

Stadtplanerische Sünden.
Friedrichwerdersche Kirche und Neubau. Berlin-Mitte, 2016.
Vielleicht liegt es ja daran, dass auch viele WählerInnen unentschieden waren.
Mir jedenfalls ging es so. Aus irgendwelchen Gründen schien jede Alternative unwählbar: sei es das mauschelnde Machtgebaren, das Weiterschludern der Verwaltung, das Vergessen der Schulen, das harte rechtsfreie Durchgreifen gegen die Anarchos oder die Drogenlegalisierungsphantasien der Grünen. Von den Extremen gar nicht zu reden.
Wenn ich mich umgeschaut habe, war da nichts, das mich wirklich überzeugt hat.
Schade.

Ein Wechselwähler wie ich, der zugleich kritisch und informiert sein will und ein paar christliche Grundoptionen mitbringt, hat es da nicht leicht. Zumal nicht in Berlin.
Und jetzt geht es so weiter?

Ich gebe es unumwunden zu: ich sehne mich nach mehr Eindeutigkeit und Klarheit, nach vertrauenswürdigen Personen und überzeugenden Positionen.
Aber zugleich weiß ich um die Gefährlichkeit solcher Wünsche, die zur populistischen Simplifizierung führen, verabschiede mich von dieser Sehnsucht als einer politischen Versuchung. Und halte mich an meine Leisten.

Denn zum Glück dürfen wir eine Regierung wählen! Aber auch: zum Glück müssen wir nur die Regierungen wählen – der, um den es geht, Gott, muss sich nicht dem Wahlkampf stellen, sondern bleibt der er ist – ungewählt und ungestüm.
So schreibt Jan Twardowski:

"Wenn wir Dich ersonnen hätten,
müsstest Du mit uns rechnen und Dich in acht nehmen
dürftest nicht bange machen, wenn die Freude in Sünde umschlägt,
müsstest, wie's Christkind, reihum unsere Wünsche erfüllen
wärest nicht in Bethlehem geboren, sondern in einer Universitätsstadt
und da wärest Du vollends ein unmöglicher Gott."

Damit bin ich, wo dieser Blog mich immer hinführt: bei Gott.
Gott – nicht auszudenken und nicht wählbar. Doch um ihm zu begegnen, braucht es entschiedenes Nachfolgen, ein Unentschieden reicht nicht.
Weit verengter Horizont. Berlin-Mitte, 2013.