Dienstag, 31. Januar 2017

Nicht mehr die Herrschaft des Rechts – mein demokratischer und religiöser Ekel

Die Geschehnisse, die in den letzten Tagen aus dem Weißen Haus berichtet werden, widern mich aus verschiedenen, jedoch ineinander übergehenden Gründen an.

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Natürlich geht es mir in erster Linie um das schlecht bis gar nicht kaschierte Einreiseverbot für Muslime (de facto, nicht de jure), das von seinem Inhalt über die Art seiner Anordnung bis hin zur Veröffentlichung ein Desaster ist.

Blinder Spiegel.
St. Michael, Kreuzberg, Berlin 2016.
Inhaltlich werden religiöse Diskriminierungen über den Umweg der vermeintlichen Terrorabwehr in Kraft gesetzt. Dabei soll eine bestimmte Gruppe von Menschen ohne Ansehen ihrer je individuellen Hintergründe pauschal nicht in die USA einreisen dürfen. Was das für schon in den USA lebende und arbeitende Menschen mit Staatsangehörigkeiten aus den betroffenen Staaten bedeutet, die zeitweise außerhalb der US-Grenzen tätig sind, scheint niemand im Blick gehabt zu haben.

Dafür spricht ebenso das autokratisch anmutende Verfahren der Anordnung per Dekret, das vom amerikanischen Präsidialsystem freilich erst ermöglicht wird. Trotzdem sind fachliche Konsultationen die Regel, die in diesem Fall nicht durchgeführt wurde, augenscheinlich um die rasche Handlungsvollmacht des neuen Präsidenten zu beweisen. Demokratisch legitimierte Rücksprachen und Zuarbeiten wirken nur bremsend, wenn hier Durchsetzungskraft demonstriert werden muss. Dementsprechend schlampig scheint das Dekret ausgearbeitet worden zu sein.

Schließlich überraschte die Veröffentlichung sowohl die designierten Minister im Außen- und Justizministerium als auch das eigentlich verantwortliche Heimatschutzministerium, wodurch die baldigen Amtsinhaber düpiert dastehen.

Darüber hinaus ist die Wortwahl der Begründung für die Entlassung der nicht gehorchenden kommissarischen Justizministerin Sally Yates gefährlich nah an totalitären Sprachgebrauch: "Verrat" wurde ihr bescheinigt für ihre Ankündigung, dass ihr Ministerium die Anordnung nicht ausführen würde. Der ihr außerdem gemachte Vorwurf der "Schwäche", was den Schutz der US-Grenzen angehe, zeigt, worum es geht: um die Artikulation brachialer Stärke.
Auch der Widerstand der Mitarbeiter des State Department wurde von Trumps Sprecher dementsprechend kommentiert: "Sie sollten sich an das Programm halten, oder sie können gehen."

Blinde Zeichen.
Kleigartenkolonie Neuköllnische Wiesen, Neukölln, 2016.
Die gruselig-antidemokratische Botschaft: Jegliches Abweichen vom Willen des Führers wird hart bestraft. Wer zu schwach ist, wird gefeuert. Staatsräson ist nicht die Herrschaft des Rechts, sondern das politische Programm des Machthabers. In Polen und Ungarn wird das ja schon seit einigen Jahren vorgemacht.


2
Religiös betrachtet zeigt sich im Gebaren und Entscheiden dieses Mannes das Gegenprogramm zu den am Sonntag in katholischen Gottesdiensten verlesenen Seligpreisungen (Mt 5,3-12) – die Friedfertigen, Sanftmütigen, Barmherzigen werden von Jesus erhoben. 
All jene Verlierertypen, die von Präsident Trump nun ausgetauscht, gedemütigt oder gar nicht erst ins Land gelassen wurden.
Für diese wurden die Seligpreisungen geschrieben, nicht für die Mächtigen und Reichen. 
Pointierter: mit den Seligpreisungen sind die vor Terror und Krieg Flüchtenden und die für Gerechtigkeit Kämpfenden angesprochen, nicht die mauerbauenden Autokraten.

Doch Gottes Verheißungen erfüllen sich eben nicht in den politischen Systemen dieser Welt. 

Trotzdem ist Widerstand bitter nötig und es freut mich dieser Tage unendlich, dass es so viel zivilen und behördlichen Protest in den USA und anderswo gibt. 
Auch die US-Jesuiten haben sich in diesem Sinne zu Wort gemeldet und ihnen (mit Papst Franziskus) sollen die letzten Worte gehören:
Wir "stehen solidarisch für die Verteidigung aller Kinder Gottes, ob Muslime oder Christen. ... Wir dürfen nicht der Angst nachgeben. Wir müssen weiterhin die Menschenrechte und die Religionsfreiheit verteidigen. Papst Franziskus hat es so formuliert: Du kannst kein Christ sein, ohne zu leben wie ein Christ."

Blattlos. Planetarium Jena, 2015.