Montag, 30. Oktober 2017

Reformationstag 2017 – Thesenartige Kurzstatements

1
Nichts passt besser zu einem Reformationstag als ein paar knackige kurze Sätze.

2
Leider ist auch nichts naheliegender. Aber was solls.

3
Der Autor dieses Blogs vor ca. 15 Jahren am Lutherstein,
damals noch analog fotografiert und als Priesterkandidat verkleidet.
Stotternheim, bei Erfurt, ca. 2003.
Es schmeckte sehr nach Luther in diesem Jahr und eher wenig nach Reformation.

4
Die reformatorische Botschaft geht in einer Stadt wie Berlin trotz des bundesweiten Feiertags und trotz des hohen medialen Aufwandes der evangelischen Kirche neben dem Halloween-Kommerz zugrunde. Prägnantes Beispiel: Der Berliner Zoo lässt seine Pandas lieber mit Gesichterkürbissen spielen als mit der Heiligen Schrift. 

5
Aber vielleicht ist die anspruchsvolle Botschaft der Reformation in der dargestellten Weise einfach nichts für satte Massen. Schade jedenfalls, dass das ständige Herunterbrechen auf humane Werte wie Freiheit, Individualität, Selbststand gegenüber einer mächtigen Institution und dergleichen dazu führt, dass Luther für viele schöne Dinge verantwortlich gemacht wird, aber oft genug kein Weg mehr in Richtung Gottes führt.

6
Dabei ist die Beziehung zu Gott für Luther die zentrale Achse seines Lebens gewesen. Ohne das Leiden an seinem falschen Gottesverständnis hätte es keinen persönlichen inneren Aufbruch und keine Reformation gegeben. Luthers Anliegen deckte sich mit dem Anliegen der großen Heiligen. Es hieß: Näher zu Gott. 

7
Dementsprechend eindeutig und weitreichend der Kommentar in seinem Großen Katechismus: "Worauf du nun (sage ich) dein Herz hängst und verlässest, das ist eigentlich dein Gott."

8
Und auch sonst halte ich die religiöse reformatorische Botschaft für außerordentlich bedeutsam: Wir (ja, auch wir Katholiken!) glauben einen Gott, der sich der Bedürfnisse der Menschen annimmt und sie nicht nach ihrer Leistung belohnt. Wer auf sich selbst setzt, statt auf die freie Gabe Gottes, der hat sich in seinem Gottesverhältnis geirrt.
Siehe das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt 20,1-16).

Evangelische Kirche, voll.
Stadtkirche St. Michael, Jena, 2017.
9
Für Luther gehörten Hören und Sprechen zusammen: Gottes Wort in der Heiligen Schrift hören und je für mich verstehen zu können war nach Luther eine Voraussetzung dafür, dass die Christen mündig für ihren Glauben einstehen. Beidem wollte er einen Weg bereiten.

10
Luther kam nicht aus dem Nichts. Da war kein zusammenhangloser Bruch mit all seinen Zeitgenossen. Ein Buch von Volker Leppin rückte mir manche Sichtweisen gerade: "Was am 31. Oktober aufeinanderprallte, waren zwei unterschiedliche mittelalterliche Optionen: der mystische Appell an eine innerlich ausgerichtete Bußfrömmigkeit für den Luther [...] stand, auf der einen Seite und die auf äußere Sichtbrakeit und Messbarkeit abzielende Frömmigkeit, die im Ablasswesen kulminierte, auf der anderen Seite. Der 31. Oktober war ein innermittelalterliches Ereignis."1

11
Die hohe Aufmerksamkeit für Luther in seinem Streit mit der etablierten Kirche und die riesigen Auflagen seiner Werke in den ersten Jahren nach seinem Konfliktauftakt 1517 erklären sich aus zwei Richtungen: "Nicht nur der Kirchenrebell war gefragt – und nicht nur der spirituelle Wegweiser, sondern die Kombination aus beidem machte das Geheimnis seines Erfolges aus."2

12
"Der Prozess, der aus der Reform der Frömmigkeit eine Reformation der Kirche machte",3 war nicht zwingend. Doch aus Luthers Theologie und Denkart und nicht zuletzt aus seinen Konflikten ergeben sich die Folgen trotzdem organisch.

13
Den Anspruch des Reformators im Widerspruch zur verbreiteten Volksfrömmigkeit seiner Zeit fasst der Lutherroman von Feridun Zaimoglu anschaulich zusammen: "Er betet keine Gebeine an, keine Sackbündel in Kleidern, kein bemaltes Holz, keine bemalte Wand. Im Anfang war das Wort und Luther spricht es nach."4

14
Nach all diesen äußerst unkatholischen Lobhudeleien und wertschätzenden Kommentaren und Zitaten muss natürlich obligatorisch auf all die schwarzen Seiten des Reformators hingewiesen werden. Ja, Antisemitismus und Polemik, Obrigkeitsfimmel und die Schelte reformationsangefixter Bauern gehören ebenso auf den Mist wie die Fixierung der Evangelischen auf die (historisch hoch zu obende und trotzdem) antiquierte Sprache der Lutherübersetzung und die Schwärze der Talare.

15
Thesentür ohne Zugangsberechtigung.
Wittneberger Schlosskirche, 2017.
Aber dafür gibts die revidierte Lutherübersetzung als kostenlose App – im Gegensatz zur katholischen Einheitsübersetzung. So.

16 
Andererseits: dass die Thesentür eine Woche vor dem 31. Oktober 2017 nicht zugänglich war, hat mich schwer getroffen. Was gibt denn das für Bilder? Lässt man nun niemanden mehr ran an den Originalschauplatz?

17
Ein ernsteres Wort noch zur Ökumene: Wenn ich meiner kleinen Tochter zwar in ein paar Worten die Liebe Gottes zu allen Menschen und die Bedeutung der Auferstehung Jesu erklären kann, aber nicht die gravierenden Unterschiede zwischen Protestanten und Katholiken, dann ist es an der Zeit, in der Ökumene ein paar Schritte weiterzugehen.

18
To be continued...


1   V. Leppin, Die fremde Reformation. Luthers mystische Wurzeln. München 2016, 60.
2   Ebd., 43.
3   Ebd., 187.
4   F. Zaimoglu, Evangelio. Ein Luther-Roman. Köln 2017, 114.