Sonntag, 24. Dezember 2017

KinderStück 24 – Gott im Kind verstehen

Der Jesuit Alfred Delp wurde im Rahmen der Verhaftungen nach Stauffenbergs gescheiterten Attentat auf Hitler verhaftet und über längere Zeit in der Haftanstalt Berlin-Tegel inhaftiert.
Vor seiner Hinrichtung am 02. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee konnte er den Kontakt mit Mitbrüdern, Unterstützern, Freunden durch seine vom Tegeler Gefängnispfarrer Harald Poelchau geschmuggelten "Kassiber" halten.
Am 22. Dezember 1944 schreibt er:

Vom Seil herab.
Grundschule St. Marien, Neukölln, 2016.
"Und jetzt feiern wir Weihnachten. Jawohl, es werden trotz allem oder gerade deswegen schöne Weihnachten sein. Echt und unverstellt, die Kulissen sind weg, und der Mensch steht heute unmittelbar vor den letzten Wirklichkeiten. Die Idylle hat der Blitz verbrannt, der uns gezeichnet hat. [...]
Ich glaube, aus all dem heraus werden wir wache und gesegnete Stunden beim Kinde haben. Diese Widerlegung all unserer Anmaßung, diese Pensionierung all unserer Wichtigkeit. Die Ohnmacht auf dem Seil ist eine Erziehung zum Verständnis des Kindes.1

Gesegnete Stunden beim weihnachtlichen Kind können wir also durch unverstellte Klarheit und Wahrhaftigkeit erleben. Der unverstellte Blick auf uns selbst zeigt uns, dass wir zwar viele Kulissen durch unser Leben schieben, aber die vorgespielte Idylle irgendwann nicht mehr hält.
Weihnachten bedeutet dann, mit Blick auf das hilflose Kind in der Krippe auch die eigene Hilflosigkeit vor Gott zu bejahen. Auf diese Weise werden wir Gott im Kind verstehen lernen.


1   A. Delp, Kassiber. Aus der Haftanstalt Berlin-Tegel. Frankfurt. a.M. 1987, 53f.