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Samstag, 24. Dezember 2016

Make mankind great again! Gottes Weihnachts-Slogan

Seit ich als Gefängnisseelsorger arbeite, fragen mich immer wieder Menschen, was denn die Inhaftieren von mir wollen, wenn sie um ein Gespräch bitten. Ob sich denn Viele bekehren würden, ob Menschen ihr Gewissen erleichtern wollten.
Wenn ich dann sage, dass ich oft einfach ein Bedürfnis sehe, mit jemandem zu sprechen und jemandem ein familiäres oder ein sonstiges Problem zu erzählen oder eine Frage loszuwerden, findet man das zwar interessant, aber eben nicht besonders spektakulär. (Vom Wunsch nach Tabak und Kaffee einmal abgesehen...)
Tatsächlich ist es ja eine spannende Sache, dass aus diesem kleinen Kind, auf das wir an Weihnachten schauen, am Ende eine Religion entstehen wird, in deren Auftrag ich jetzt im Rahmen des Justizvollzugs tätig bin und Menschen auf einem kleinen Abschnitt ihres Lebens begleite.
Wir feiern die Geburt dieses Mannes aus dem Volk Israel, wegen dem ich heute einen Gottesdienst feiere und der heute noch Menschen dazu bringt, einander ihr Leben zu erzählen, einander ein Stück zu begleiten, einander zuzuhören.
Natürlich ist das Erzählen und Hören nicht nur Jesus geschuldet und vielleicht könnte das auch irgendwie anders möglich sein. Aber schon dann, wenn es allein das wäre, was Jesu Geburt gebracht hat, dass Menschen einander mehr zuhören, wäre das doch klasse.

Freitag, 25. November 2016

Schluss mit der Trickserei! – Advent ist nahe

Es geht auf den Advent zu und die Welt scheint schon in den Startlöchern zu sitzen. Allerorten (auch im Gefängnis!) wird Schmuck angebracht und erwartet, dass es endlich gemütlich wird.

Beim Blick in die biblischen Texte, die die Ankunft (denn nichts anderes bedeutet adventus ja) thematisieren, zeigt sich allerdings, dass es dabei oft um das unerwartete Kommen eines Rechenschaft einfordernden Herren geht.
Dementsprechend wird alles geordnet, die Bücher müssen stimmen, Zahlen werden schnell geprüft, Löhne ausgezahlt, denn wenn etwas nicht stimmt, wird es ungemütlich.

Samstag, 12. November 2016

Keine Weltuntergangsstimmung, bitte! - Eine Predigt im Gefängnis

 Es ist so viel passiert, worüber man schreiben könnte... Stattdessen sei hier nur auf zwei Fundstücke im Netz hingewiesen.
Angesichts des Todes von Leonard Cohen ist hier einer seiner schönsten Songs, ein imaginärer (Liebes)Brief an einen ehemaligen Nebenbuhler: "Famous blue raincoat". 
Angesichts der Wahlen in den USA fand ich einen Text, der nicht Umfrageinstitute zerreißt, über Wählerverhalten aufklären will oder den Untergang der freien Welt wegen der Wahl eines solchen Egomanen an die Wand malt, sondern der kritisch-konstruktiv nach vorn schaut: "What do we tell the children?"

Und damit zu dem, was ich morgen so oder ähnlich im Gefängnis predigen werde:

Samstag, 29. Oktober 2016

Heil heißt, sich lieben zu lassen - Die Verwandlung des Zachäus

...denn die Liebe verwandelt das Leben und heilt es.

So einfach ließe sich der Grundgedanke des Evangeliums von Zachäus (Lk 19,1-10) zusammenfassen, das an diesem Sonntag im Gottesdienst gelesen wird. Jesus sagt darin: "Heute ist diesem Haus das Heil geschenkt worden", (v9) nachdem er sich selbst zu dem beobachtenden Zöllner einlud und dieser daraufhin sein ganzes bisheriges Leben ändert.
Denn Zachäus erfährt sich trotz seiner Ferne zu den anderen Menschen als von Jesus angenommen, als dieser sich ihm zuwendet. In diesem grundlegenden Angenommensein zeigt sich Gottes Liebe zu jedem Menschen.

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Unter dem offenen Himmel - Gottesbegegnung im Gefängnis.

Ich arbeite unter sehr privilegierten Bedingungen. Denn ich habe jeden Tag die Chance, den Himmel offen zu sehen und Christus zu begegnen.
Vor einigen Tagen fotografierte ich auf dem Weg zum Gefängnis untenstehendes Motiv, das den Westhafenkanal zeigt und das nördlich liegende Ufer. Das Wolkenloch befindet sich also direkt über dem Gefängnis. Unter der Stelle, an der wir den blauen Himmel erkennen können, leben die Inhaftierten.

Donnerstag, 20. Oktober 2016

Für wen halten mich die Leute? Erste Gedanken als Gefängnisseelsorger

Die Frage, die ich mir bei meiner neuen Tätigkeit als Gefängnisseelsorger am häufigsten stelle, ist tatsächlich die: Wer bin ich für diese Leute, für die ich hier bin, die ich besuche, die mit mir sprechen wollen, mit denen ich versuche, dienstlich zu kooperieren, die mir einen Antrag schreiben oder mich einfach so anquatschen, die mich hinein und wieder hinaus lassen, die mich von ferne sehen, die, auf deren Hilfe und Zuarbeit ich angewiesen bin...
Oder, um es mit Jesus zu sagen: "Für wen halten mich die Leute?" (Mk 8,27)
Da liegt auch schon die erste Antwort, die sich von der Person Jesu und den an ihn gestellten Erwartungen absetzt – für einen Heilsbringer scheinen mich die wenigsten zu halten. Allerdings halten auch die wenigsten derer, mit denen ich spreche, Jesus für einen solchen...

Samstag, 15. Oktober 2016

Bleib trotzdem dran! – Eine Gefängnispredigt

Im morgigen Evangelium (Lk 18,1-8) wirbt Jesus dafür, immerfort zu beten und spricht in einem Gleichnis von einem als ungerecht und rücksichtslos bekannten Richter, der sich auf das Betteln einer Witwe hin entscheidet, ihr zu ihrem Recht zu verhelfen.

So oder so ähnlich werde ich morgen in einem Sonntagswortgottesdienst in der JVA predigen:

Samstag, 24. September 2016

Was braucht es denn noch alles, damit sich etwas ändert?

Das Evangelium des Sonntags (Lk 16,19-31) bietet eine Fülle von Themen: wo der arme Lazarus und der reiche Mann einander im Leben und im Tod gegenübergestellt werden, da wird Gottes Leidenschaft für die Armen und seine ausgleichende himmlische Gerechtigkeit angesprochen, bildhaft werden Vorstellungen von postmortalem Leben und Leiden illustriert, und die spannende Frage von einer eventuellen Verantwortung der Toten für die Lebenden taucht auf.

Von diesem letzten Punkt ausgehend möchte ich einem Gedanken nachgehen.
Der in Schmerzen leidende ehemalige Reiche bittet Abraham darum, seine Brüder zu warnen, dass es diesen nicht wie ihm ergehe. Doch Abraham erwidert ihm im letzten Satz des vorzulesenden Textes: "Wenn sie auf Mose und die Propheten nicht hören, werden sie sich auch nicht überzeugen lassen, wenn einer von den Toten aufersteht." (v31)

Mittwoch, 7. September 2016

Von der Haltung eines Seelsorgers – Gedanken im Anschluss an Emmanuel Carrère

In diesen Tagen beginne ich an einer neuen Stelle zu arbeiten – ich werde als Gefängnisseelsorger in Berlin tätig sein und überlege seit längerem, welche Haltung ich dabei einnehmen will.
Passenderweise lese ich zeitgleich "Das Reich Gottes" von Emmanuel Carrère, ein autobiographisch-romanhaft-essayistisches Hybrid-Buch, das von Glauben und Nichtglauben handelt, von religiösen Erfahrungen und Anfechtungen eines kritischen Intellektuellen und davon, was das mit dem Urchristentum zu tun hat.
Zu diesem faszinierenden und eingängig geschriebenen Buch vielleicht später einmal mehr.

Hier geht es mir nur um den Anfangsteil, in dem der Autor sehr beeindruckend die Begegnungen mit seinen (ich formuliere mal sehr weit) spirituellen Begleitern und Mentoren beschreibt. Es handelt sich um seine Patentante Jacqueline, zu der eine ganze Reihe von Menschen mit ihren Problemen kommen, und um deren zweites Patenkind Hervé, der wiederum zum Freund des Ich-Erzählers wird.

Mittwoch, 20. Juli 2016

Planungen für ein neues Deutschland. Christliche Widerstandsmotivation im Kreisauer Kreis

Der 20. Juli 1944 hat sich im öffentlichen Gedächtnis nicht nur mit Stauffenbergs Attentat auf Hitler, sondern auch ganz allgemein mit dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus verbunden. Dabei gab es neben dem eher aristokratisch-konservativen Widerstand um Stauffenberg auch andere Gruppen, die eher kommunistische, christliche oder sozialdemokratische Motive hatten. Der gemeinsame Nenner, auf den diese Widerstandsgruppen zu bringen sind, wären damit weder ihre Methoden, noch ihre kurz- oder langfristigen Ziele, sondern nur der Gegner.

Ein herausragendes Beispiel der Zusammenarbeit von Widerständlern ganz unterschiedlicher Herkunft und Stellung war der Kreisauer Kreis, der sich seit 1940 um den Völkerrechtler Helmuth James von Moltke sammelte. Neben Sozialdemokraten wie Julius Leber und Adolf Reichwein fanden sich dort evangelische und katholische Theologen wie Eugen Gerstenmaier, Harald Poelchau und Alfred Delp, aber auch adlige Militärs wie Peter Yorck von Wartenburg oder eben der Jurist Moltke selbst. Abwägend-zurückhaltende Kontakte zum konservativen Goerdeler-Kreis bestanden ebenso wie zur Stauffenberg-Gruppe.

Freitag, 11. März 2016

Der Gekreuzigte 4 – "The Dark Knight Rises" als Erlösungsspektakel

In Christopher Nolans Batman-Film von 2012 geht es um verschiedene Konzepte von Erlösung, die zu einem theologischen Kommentar herausfordern.
Und, wie sollte es auch anders sein, die zwei Hauptakteure mit ihren nahezu gleich klingenden Namen, der Bösewicht Bane und der Batman Wayne, präsentieren in ihren jeweiligen Masken diese unterschiedlichen Vorstellungen.

Donnerstag, 4. Februar 2016

Heilsame Enttäuschung über die Kirche – Dietrich Bonhoeffer am 110. Geburtstag

Dietrich Bonhoeffer hat nicht erst in der Zeit seiner größten Krisen im Gefängnis, sondern auch vorher schon alles auf Gott gestellt. Denn ihm war klar, dass Gott nicht an den Rändern voller Not und Ängste, sondern in der Mitte und Stärke des menschlichen Lebens gefunden werden will.
Das zeigt sich auch in Bonhoeffers Bild von kirchlicher Vergemeinschaftung, wie er es in der 1939 zum ersten Mal veröffentlichten Schrift "Gemeinsames Leben" zeichnet.
Konsequent denkt er von Gott her und sieht im Lichte dessen auch die inneren Grenzen christlicher Gemeinschaft sehr wohl – wie es wohl zu jeder Zeit und auch heute Menschen gibt, die sich an eine Pfarrgemeinde, eine geistliche Gemeinschaft oder einen Orden binden wollen und deren Grenzen trotzdem wahrnehmen.
Hier bietet Bonhoeffer einige Sehhilfen an, wie die Schwächen einer kirchlichen Nahgemeinschaft anzusehen sein könnten:

Samstag, 31. Oktober 2015

Rupert Mayers 70. Todestag - Ausrichtung an Christus

An einer evangelischen Kirche habe ich mal gelesen: „Reformation bedeutet: Sein Leben immer wieder neu an Jesus Christus ausrichten.“

Eigentlich geht es in jeder christlichen Existenz genau darum. Besonders stark aber verdichtet sich diese Ausrichtung auf Jesus und die immer neue Angleichung an Ihn in den Menschen, die wir als Heilige verehren.

Der selige Rupert Mayer, an dessen 70. Todestag an diesem 1. November erinnert wird, hat die Gestaltung seines Lebens nach dem Vorbild Christi so überzeugend gelebt, dass schon viele seiner Zeitgenossen in ihm einen heiligen Mann sahen. Es war ein Leben des Dienstes. Illustrieren lässt sich das durch das Jesuswort, das an seinem Gedenktag in der Lesung zu hören ist: „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe.“ (Joh 10,11) 

Mittwoch, 5. März 2014

Worte über die Asche

Holzwand, Leipzig, 2013.
meine Scherben nicht liegen lassen

die Verkabelung lösen 

voll Verantwortung

ruhen

Umwege gehen

Reste anschauen

Transparenzverstärker

Sonntag, 23. Februar 2014

Feindesliebe im ukrainischen Umbruch?

Ein schiefes Bild bringt die Dinge auf den Punkt: "es passt wie die Faust aufs Auge" – das Evangelium von der Feindesliebe an diesem Sonntag und die aktuellen Vorgänge in der Ukraine.

Samstag, 8. Februar 2014

„La voie de l'ennemi“ – Die Berlinale zeigt Heimatlosigkeit.

Die Story des Films von Rachid Bouchareb ist leicht erzählt. Der Polizistenmörder William Garnett (Forest Whitaker) wird nach 18 Jahren Haft auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen. Er hat sein Leben geändert, ist Muslim geworden und möchte nun ein friedliches und normales Leben führen. Und genau so wirkt er auch – ein ruhiger, nachdenklicher und frommer Mann. So wird er zurück in die kleine Stadt geschickt, aus der er kam, erhält ein schäbiges Zimmer und eine Menge Auflagen von seiner Bewährungshelferin. Er findet einen Job, bald auch eine Freundin und tut überhaupt sein Bestes, um sich tatsächlich zu bewähren. Aber es soll nicht sein.

Dienstag, 4. Februar 2014

Der Angelus – ein Ruf zur Inkulturation

Um etwas weihnachtliches Denken in den Alltag hinüber zu retten scheint mir der Angelus, das Zwölf-Uhr-Gebet mancher Christen, eine gute Weise zu sein, um Gottes In-die-Welt-Kommen auch im eigenen Leben konkret werden zu lassen.

Sonntag, 2. Februar 2014

Alfred Delps Tod und Jesu Darstellung

Ich glaube, aus all dem heraus werden wir wache und gesegnete Stunden beim Kinde haben. Diese Widerlegung all unserer Anmaßung, diese Pensionierung all unserer Wichtigkeit. Die Ohnmacht auf dem Seil ist eine Erziehung zum Verständnis des Kindes.“1

Sonntag, 15. Dezember 2013

"Are you the one that i've been waiting for?"

Eine Frage leitet das heutige Evangelium am Dritten Advent (Mt 11,2-11) ein. Der Täufer stellt sie aus dem Gefängnis heraus an Jesus: "Bist du der, der kommen soll oder müssen wir auf einen anderen warten?" (v 3)

Samstag, 30. November 2013

Adventlich: Hunger und Desinfektion


Manchmal gerät die Lektüre passend zur Zeit. Ich lese momentan Walter Kempowskis Erinnerungen an seine Zeit im Bautzener Gefängnis, wo er von 1948-1956 wegen „Spionage“ sitzen musste. 1969 erschien „Im Block. Ein Haftbericht“ als Erstlingswerk. Grandios im Sprachduktus mit der für ihn typischen Verknappung, bisweilen lakonisch, manchmal absurd, oft erschütternd.
Die geschilderten Erlebnisse und Begegnungen lassen sich gut in der beginnenden Adventszeit spiegeln.